Es ist bereits alles gesagt zu Griechenland und der Krise. Argumente wurden mehr oder weniger nervenaufreibend in jeder Talkshow und jeder Zeitung und jedem Blog Deutschlands durchgekaut und ausgetauscht. Immer mit dem gleichen Ergebnis: Keinem!
Die Krise der Menschen in Griechenland und des Staates Griechenland wurde dadurch nicht gelöst. Im Gegenteil, Ressentiments wurden verfestigt und durch, wie ich finde, sehr einseitige und unfaire Berichterstattung der Medien, aber auch durch unflätige Äußerungen vieler Spitzenpolitiker in den Köpfen vieler Menschen festgesetzt. Am Ende stehen die Griechen, in der ganzen Verallgemeinerung, als faul, gierig, korrupt und vertrauensunwürdig da, bekommen die Pistole auf die Brust gesetzt und müssen den Forderungen der Geldgeber, nun verschärft, nachkommen und stürzen sehenden Auges in den Abgrund. Sie müssen weiter Schulden machen, um Schulden bezahlen zu können und dürfen auf gar keine Milde mehr hoffen.
Natürlich kann man sagen, dass Tsipras sich verzockt hat und ein Referendum durchführen ließ, obwohl er wissen musste, dass selbst nach einem vermeintlichen persönlichen Sieg oder gerade wegen des negativen Ausganges (OXI) die Türen für Hilfen nun noch fester verschlossen sein würden. Nun muss er dieses Referendum ad absurdum führen. Es war von vornherein ein Dilemma. Die Gläubiger sitzen aber am längeren Hebel.
Aus Eitelkeit oder aus der Angst heraus, das Beispiel Griechenland könnte bei Nachgeben auch für andere Länder Schule machen, wurden nun die Daumenschrauben richtig angezogen. Tsipras wurde so weichgekocht, dass er nur noch kleinlaut verkünden konnte, dass dieser Kompromiss den Gründervätern der EU geschuldet ist. Was für ein überragender Sieg der Gläubiger, bei denen nun die Champagnerkorken knallen dürften. Die Börsenwerte dürfte dies in unerwartete Höhe treiben, wenn dieser Kompromiss, der in Wirklichkeit ein Blutzoll für die Griechen ist, parlamentarisch in die Tat umgesetzt wird.
Mir geht es jetzt gar nicht so um die Frage, wer hat Schuld, mir geht es mehr um den Umgang mit einem geschundenen Volk. Ich bin kein Volkswissenschaftler, Banker oder Finanzexperte, aber ich weiß mich zu benehmen. Und da ist mir das Benehmen, gerade unseres deutschen Finanzministers, arg übel aufgestoßen. Stichwort Eitelkeit: Schäuble kann das Existieren einer linken Regierung in Griechenland, wie viele andere konservative Politiker, nicht verschmerzen und schon gar nicht dulden. Daher setzt er eine Vehemenz hinter seine Forderungen, die ihresgleichen sucht.
Syriza wurde bereits vor ihrer Wahl bedingungslos bekämpft und Drohszenarien wurden, medial unterstützt, aufgebaut. Die Deutschen wurden systematisch mit den angeblichen Folgen der Wahl einer linken Regierung konfrontiert. Dies konnte man daran sehen, dass Umfragen vor Wahl von einer eher unentschlossenen Haltung immer mehr pro EU verschoben wurde. Ich schenke solchen Umfragen allerdings wenig Glauben, aber die Beeinflussung auf allen Kanälen fand statt und verpasste nicht ihr Ziel, da bin ich ganz sicher.
Nach der Wahl in Griechenland, wo übrigens auch Wahlbeobachter der EU anwesend waren (!), herrschte Bestürzung im konservativen Lager. Was war passiert? Die Griechen erlaubten sich, die vorherige Versagerregierung aus Sozialdemokraten und Konservativen ab- und die verhasste Partei Syriza zu wählen. Das griechische Volk hat mit Mehrheit gegen den Sparzwang votiert und will die verheerende Spar-Politik der EU nicht weiter mittragen. Seitdem geifert das konservativ geprägte Lager der EU und Medienvertreter gegen diese nicht systemkonforme Regierung, was das Zeug hält. Nichts wird unversucht gelassen Spitzenpolitiker Syrizas zu diffamieren und lächerlich zu machen. So sah man den damaligen griechischen Finanzminister Varoufakis im TV immer mit dem Motorrad anfahren und es wurde darüber spekuliert, ob man mit Leuten sprechen sollte, die keine Krawatte tragen (wollen). An Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten! Lagardes Aussage, man solle sich doch wie Erwachsene unterhalten, tat ihr Übriges hinzu.
Auf die Griechen und ihr Anliegen ging man nicht ein. Sie taumeln am Abgrund, das wußte jeder. Man tat alles, um den entscheidenden Stupser zu geben. Griechenland musste bereits unter der Vorgängerregierung ordentlich bluten. Dieser Sparzwang ist aber auch schon krachend gescheitert. Mit dem Scheitern der Sparpolitik scheitert aber auch die Politik der deutschen Kanzlerin, auch das ist bekannt. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, gibt es ein „Weiter so“ und es soll weiter gespart werden. Auch klar ist, dass Griechenland niemals seine Schulden wird komplett zurückzahlen können. Wie im übrigen auch viele andere Länder nicht. Wird Deutschland jemals seine Schulden zurückzahlen können? Italien und Portugal liegen bei 130%, Irland bei 114%, Deutschland immerhin bei 75% Verschuldung (zu BIP, Quelle: Statista) . Wo soll das alles hinführen? Selters predigen und Wein saufen können wir Deutschen ja sehr gut, wobei ich auch hier nicht verallgemeinern möchte.
Den Verteidigungshaushalt Griechenlands zurück zu fahren ist sicherlich lobenswert, aber wer kauft denn dann unsere schönen deutschen Rüstungsgüter? Außerdem hat die NATO, also damit eigentlich die USA, ja schon bereits klargemacht, dass die Griechen ihre Bündnispflichten wahrnehmen müssen, also nicht sparen dürfen. Ja was denn nun? Deutlich wird hierbei, dass speziell die USA mal wieder kräftig mitmischen und sicherlich im Hintergrund die Fäden spinnen (reine Spekulation).
Dann platzte die Bombe mit der Verkündigung des Papiers unseres geschätzten Finanzministers Schäuble. In diesem Papier fordert Schäuble, im derben Ton, einen Grexit auf Zeit, einen Treuhandfonds und nicht weniger als das Rückgängigmachen von Gesetzen, die aufgrund des Regierungswechsels rückgängig gemacht wurden. Hier wird also quasi von außen auf die Gesetzgebung eines Landes eingewirkt und verlangt, diese nach den Regeln des Kapitals zu stricken.
Dieses Papier wurde nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgesprochen, das war der weitere Affront. Einzig SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel stiftete weitere Verwirrung, in dem er zunächst bestätigte, von dem Papier gewußt zu haben und dies später wieder dementierte. Er wisse nur von der Idee Schäubles. So schafft man sich selber ab, oder Herr Gabriel?
Was zunächst als Vorschlag kolportiert wurde, ist einen Tag später Gewissheit und Kompromiss und bedeutet nicht mehr als die Abschaffung des europäischen Gedankens. Es wurde so lange auf die griechische Regierung eingeredet, bis sie zusammenbrach und ihrem eigenen Untergang zustimmte.
Ich, als normaler und kleiner Bürger dieses Landes, sehe die Zustimmung Tsipras zu diesen erdrückenden Forderungen als vollständige Kapitulation vor dem entfesselten Kapitalismus an, zu der man ihn von der gegnerischen Seite gezwungen hat. Syriza ist damit auch erledigt. Genau das war es, was die EU so unnachgiebig machte.
Regime Change oder, wie der einschlägig bekannte Hashtag #ThisIsACoup sind nur einige international verständliche Bezeichnungen dafür, was sich vor dem Hintergrund der Griechenland-Krise abspielte. Man kann das Ganze auch in Deutsch als Staatsstreich bezeichnen.